Krisen

Fachartikel von Barbara Tröbinger

Krisen sind entscheidende Wendepunkte im Leben. Krisen sind Situationen, in denen bisherige Lösungsstrategien nicht mehr funktionieren. Eine konkrete Idee über das Ziel, auf das wir zusteuern, fehlt. Krisen sind Momente der Überforderung, der Ohnmacht, der Orientierungslosigkeit, des inneren oder äußeren Chaos. Krisen sind Phasen, in denen die Karten neu gemischt werden. Krisen lassen uns keine andere Wahl, als uns selbst, unser Leben und unsere Zukunft neu zu erfinden.

Wir suchen uns Krisen nicht aus. Die meisten Menschen erleben eine Krise wie einen Überfall, wie einen ungebetenen Gast, der das geordnete, strukturierte, verlässliche Leben jäh aus den Fugen reißt. Und doch können Krisen nützlich sein, um wichtige Veränderungsschritte zu wagen. Krisen werfen uns quasi in eine neues Leben, in dem wir uns irgendwie zurechtfinden müssen. Es gibt für den Weg aus der Krise kein allgemeingültiges Kochrezept, keinen geradlinigen Weg vorwärts, keine eindeutig wirksamen Strategien. In Krisen können wir einen Fuß vor den andern setzen und dann betrachten, wo wir ankommen, bevor wir den nächsten Schritt setzen. In diesen Ausnahmesituationen entwickeln Menschen oft immense Kraft und unvorstellbaren Mut, manchmal sogar für Entscheidungen, die ihnen bisher nicht möglich waren.

Und doch braucht es gerade in Krisenzeiten Geduld. Es braucht Momente der Ruhe, es braucht Orte und Menschen, die Sicherheit geben. Es ist gerade in Krisenzeiten wichtig, sich eine kurze Auszeit zu gönnen und tief Luft zu holen.

Oft entscheiden wir in Krisenzeiten aus dem unerträglichen Gefühl, nicht mehr anders zu können. Und genau in diesen Momenten kann es hilfreich sein, noch einen Augenblick auszuharren. Es kann nützlich sein, den Kopf frei zu kriegen und sich dann einen Überblick über die Situation zu verschaffen, bevor man den nächsten Schritt setzt. Es kann von Bedeutung sein, nochmal ein wenig im Buch des eigenen Lebens zu blättern, wo vielleicht wichtige Informationen verborgen sind. Es mag um Trennung oder um Abschied gehen: von geliebten Menschen, von liebgewonnenen Ideen, Vorstellungen und Erwartungen. Es geht darum den Schock, den Schmerz, die Trauer und die Verzweiflung auszuhalten, und gerade dann in sich selbst und die eigene Kraft zu vertrauen. Eine Psychotherapie kann dabei unterstützen, das Chaos und die Verwirrung auszuhalten und zugleich handlungsfähig zu bleiben und die eigenen inneren Potentiale zu nutzen.

Es mag in einer Psychotherapie in Krisenzeiten aber auch darum gehen, was von dem Bekannten und Vertrauten nicht aufgegeben werden soll. Es ist möglicherweise wichtig zu besprechen, welche Dinge uns auch in vielen Jahren noch daran erinnern sollen, wer wir einmal waren und was uns einmal wichtig war. Eine Psychotherapie soll den Raum eröffnen, Vergangenes zu würdigen.

Wir wissen nicht, wie Krisen ausgehen. Wir wissen nicht, wie es nach der Krise, nach dem Sturm, nach dem Feuer, aussehen wird. Aber wir wissen, dass nach der Krise ein neuer, ein anderer Anfang steht.
Um diesen Anfang frei und kreativ gestalten zu können, kann eine Psychotherapie nützlich sein. Aus den bisherigen Lebenserfahrungen und aus den eigenen Wünschen und Sehnsüchten eine ganz neue, einzigartige Collage entstehen zu lassen, das kann Ziel einer Psychotherapie sein.