Zwangsstörungen

Fachartikel von Barbara Tröbinger

Gedanken, Ängste oder Phantasien drängen sich hartnäckig immer wieder auf, obwohl sie einem unsinnig erscheinen; der ständige Impuls, etwas immer wieder zu wiederholen, obwohl es nicht notwendig wäre; das Gefühl die Kontrolle über die sich ständig aufdrängenden Gedanken oder Handlungen zu verlieren - das können mögliche Anzeichen einer Zwangsstörung sein. Wenn diese Impulse und Gedanken den Alltag und die Stimmung beeinträchtigen, zu Beziehungsproblemen, zu sozialem Rückzug oder zu Schwierigkeiten im Job führen, dann ist es sinnvoll, professionelle Hilfe zu suchen.

Zwangsstörungen: Symptome

Unter den Zwangssymptomen werden Zwangsgedanken und Zwangshandlungen unterschieden. 90% der Betroffenen leiden sowohl unter Zwangsgedanken als auch unter Zwangshandlungen.

Zwangsgedanken

Zwangsgedanken sind unangenehme Gedanken, Phantasien oder Ängste, die sich immer wieder aufdrängen und von denen sich Betroffene nur schwer oder gar nicht ablenken können. Die Inhalte dieser Gedanken werden von Betroffenen als unsinnig oder übertrieben erkannt, dennoch geben die Zwangsgedanken keine Ruhe. Als Reaktion versuchen Betroffene die unangenehmen Gedanken abzuwehren, sich selbst "den Blödsinn" auszureden oder Dinge zur Selbstberuhigung (Zwangshandlungen) zu tun.

Häufige Zwangsgedanken sind: die Befürchtung, eine Arbeit nicht richtig gemacht zu haben; Ängste, dass einem Angehörigen etwas Schlimmes zustoßen könnte; Befürchtungen, jemandem Schaden zuzufügen oder sich schuldig zu machen; bestimmte Themen müssen ohne Unterlass durchdacht werden, ohne dass man zu einer Lösung kommt; Unsicherheit/Sorge etwas nicht richtig gemacht zu haben, etwas vergessen zu haben; Alltagsgegenstände müssen laufend abgezählt werden (Zählzwang); bestimmte Gedanken/Sätze/Wörter müssen ritualisiert wiederholt werden.

Zwangshandlungen

Wenn Handlungen immer wieder ausgeführt werden müssen, obwohl man das eigentlich gar nicht will, dann spricht man von Zwangshandlungen. Betroffene erleben einen Kontrollverlust gegenüber inneren Handlungsimpulsen. Wenn sie versuchen, die Zwangshandlungen zu unterlassen, dann kommt es zu Angst, Panikattacken, Stresserleben oder Anspannung. Das Ausführen der Zwangshandlungen führt ein wenig zu Beruhigung und Entlastung. Zugleich empfinden Betroffene dabei aber keine Freude und schämen sich für ihr unsinniges Verhalten. Manchmal werden Handlungsabfolgen bis ins kleinste Detail perfektioniert und müssen immer in genau der gleichen Weise ablaufen, dann spricht man von einem Zwangsritual.

Häufige Zwangshandlungen sind Reinlichkeitszwang (z.B. sich dauernd die Hände zu waschen), Kontrollzwang (ständiges Überprüfung von Herdplatten, Türschlössern, wichtigen Dokumenten), Ordnungszwang (der Zwang, immer perfekte Ordnung, Symmetrie oder Gleichgewicht herzustellen, indem Gegenstände, Möbel, Kleidungsstücke nach genauen Regeln exakt angeordnet werden); Berührzwang (der Zwang, bestimmte Dinge immer anzugreifen oder nicht angreifen zu dürfen); verbale Zwänge (bestimmte Wörter/Sätze/Melodien müssen ständig wiederholt werden).

Zwangssymptome als Warnsignal der Seele

Zwangsgedanken und Zwangshandlungen treten vermehrt in schwierigen Lebensphasen, bei Veränderungen, bei äußeren Belastungen und bei Stress auf. In diesem Sinne können sie als ein Warnsignal der Seele gedeutet werden: bei starker Verunsicherung und bei drohender Überlastung. Zwangshandlungen sind dann oft eine "Ventil" zur Selbstberuhigung, um Unsicherheit und großen Druck (durch die eigenen hohen Ansprüche an sich selbst) auszuhalten und um innere Anspannung abzubauen.

Zwangssymptome führen zu sozialem Rückzug

Viele Betroffene werten sich für ihre "schrägen" Gedanken selbst ab, versuchen ihre "dummen" Gewohnheiten vor anderen zu verbergen. Sie schämen sich massiv vor anderen und ziehen sich von Freunden und Familie zurück. Die Einsamkeit, das erlebte Versagen und die Selbstabwertung führen oft zu einer Verschlimmerung der Symptomatik. Die Hürde sich professionelle Hilfe zu suchen wird so immer höher.

Zwangsstörungen: Diagnose

Das psychiatrische Diagnosesystem ICD-10 (F42) legt als Voraussetzungen für die Diagnose einer Zwangsstörung folgende Diagnosekriterien fest:

  • Die Zwangsgedanken oder zwanghaften Handlungsimpulse werden vom Betroffenen als seine eigenen Gedanken/Impulse erkannt werden - das heißt nicht wie bei Halluzinationen als Stimmen von außen, die ihm Aufträge erteilen.
  • Mindestens gegen einen Zwangsgedanken oder gegen eine Zwangshandlung muss der Betroffene noch Widerstand leisten.
  • Der Zwangsgedanke oder die Zwangshandlung werden als unangenehm, störend oder beängstigend erlebt.
  • Die Zwangssymptome wiederholen sich ständig in zutiefst unangenehmer Weise und drängen sich immer wieder auf.
  • Die Symptomatik besteht über einen Zeitraum von mindestens 14 Tagen an den meisten Tagen.

Tic oder Zwang?

Tics sind von Zwängen klar zu unterscheiden: Tics sind plötzliche unwillkürliche Bewegungen oder Lautäußerungen, sie tauchen reflexartig und unvermittelt auf, sind aus Sicht der Betroffenen bedeutungslos und führen auch zu keiner Beruhigung oder Entlastung. Tics treten vor allem im Rahmen neurologischer Erkrankungen und bei manchen Entwicklungsstörungen auf. Auch bei Tics kann eine Psychotherapie allerdings Linderung und eine Verbesserung der Lebensqualität bringen.

Zwangsstörungen: Häufigkeit

Etwa 4 % der Erwachsenen leiden unter einer Zwangsstörung. Diese beginnt meist in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter. Nach meiner Erfahrung lassen sich Zwangsphänomene und Ängste oft bis ins Vorschulalter zurückverfolgen.

Menschen mit selbstunsicheren, perfektionistischen und abhängigen Persönlichkeitszügen sind besonders häufig betroffen. Diese Persönlichkeitseigenschaften können die Zwänge noch verstärken. Zwangsstörungen gehen oft mit hoher logischer Begabung, guter Planungs- und Organisationsfähigkeit, einem ausgeprägten Sinn für Ordnung und Struktur und hoher Intelligenz einher.

Die meisten Betroffenen (80 %) leiden unter depressiven Symptomen. Auch Angststörungen treten oft gemeinsam mit einer Zwangsstörung auf, vor allem Panikstörungen und soziale Phobien. Mitunter entwickeln sich Zwänge infolge traumatischer Erfahrungen.

Zwangsstörungen: Behandlung und Therapie

In der Psychotherapie bei Zwangsstörungen stehen die Stärkung der Selbstsicherheit und die Entwicklung eines positiven Selbstbildes im Vordergrund. Wichtige Veränderungsschritte sind oft: Konflikte aushalten lernen; mit sich selbst nachsichtiger sein; sich erlauben, eigene Entscheidungen zu treffen und eigene Interessen zu vertreten; sich selbst Wut und Ärger erlauben; Unsicherheiten und innere Widersprüche aushalten; Risiken eingehen und sich schwierigen Situationen stellen; sich den eigenen Ängsten/Befürchtungen stellen; negative Gefühle annehmen lernen; bewusster und mehr im Moment zu leben. Dabei kann eine Psychotherapie hilfreich sein.

Auch der Umgang mit Schuld und mit Selbstvorwürfen, das Abgeben von Verantwortung und Kontrolle können ein wichtiges Element der Psychotherapie bei Zwangsstörungen sein. Mitunter widersprüchliche Bedürfnisse wie Nähe und Distanz in Beziehungen, Harmonie und Abgrenzung, eigene Interessen und die Interessen anderer in eine gute Balance zu bringen ist ein häufiges Thema in der Psychotherapie bei Zwangssymptomen. Ein weiteres Ziel kann sein, sich auf soziale Beziehungen einzulassen. 

Zudem gebe ich Klienten konkrete Techniken in die Hand, um Zwangsmuster zu unterbrechen und den Zwangsimpulsen zu begegnen.

Oft geht es darum, dass Betroffene ihre Liebe zu Vollkommenem und Schönem, ihren Sinn für Ordnung und Ästhetik schätzen lernen. Die eigene Vorsicht und die Gabe vorausschauend zu denken kann als besondere Fähigkeit anerkannt werden. Häufig ist es dann möglich, dass die damit verbundenen belastenden Zwänge ihren Dienst aufgeben.

Ich unterstütze Klienten auf dem Weg dorthin, Spontanität und Leichtigkeit wieder mehr Raum in ihrem Leben zu geben, sich wieder mehr Freiräume in ihrem Leben zu erlauben und sich wieder als aktive und kreative Gestalter ihres Lebens zu erleben.

Mag. Barbara Tröbinger

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